Erfolge für Betroffene und Kommunen - aber das solidarische Gemeinwesen bleibt bedroht
Zur Einigung von SPD und Schwarzgelb in den Gesprächen über eine Reform der HartzIV-Leistungen erklärt Marlene Rupprecht, SPD-Bundestagsabgeordnete für die Wahlkreise Fürth und Erlangen sowie Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestags:
Die Ergebnisse der Verhandlungsrunde sind ein Kompromiss – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Er bedeutet für die Leistungsberechtigten nicht nur eine Anhebung des Regelsatzes um insgesamt 8 auf 364 Euro, sondern verbessert vor allem die Situation armer Kinder mit dem Bildungs- und Teilhabepaket erheblich.
Ich erkenne diesen Erfolg an, auch wenn ich mir als Familien- und Kinderpolitikerin hier statt Mittagessenszuschüssen, Unterstützung bei Nachhilfe- und Vereinsbeiträgen oder Hilfen für Schulausflüge lieber hochwertige und inklusive Bildungs- und Betreuungsangebote für alle Kinder gewünscht hätte. Denn bei der Berechnung und Gewährung dieser Leistungen sehe ich auch die Gefahr, dass immenser Verwaltungsaufwand entsteht, bis die Betroffenen ein paar Euro an zusätzlicher Unterstützung erhalten.
Eindeutig auf der Habenseite der SPD-Verhandlungsführung mit Manuela Schwesig und Ministerpräsident Kurt Beck steht ebenfalls der Mindestlohn für 1,2 Millionen Menschen in der Zeitarbeit und bei Sicherheitsdiensten. Dass dies gegen den erbitterten Widerstand der FDP-Verweigerer durchgesetzt werden kann, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns das Fehlen allgemeiner Mindestlöhne schon am 1. Mai furchtbar auf die Füße fallen wird, wenn die Dumpinglöhne aus den osteuropäischen EU-Staaten unsere Arbeitsmärkte bedrohen. Hier wird die SPD weiter Druck machen müssen.
Auch für die Kommunen hat sich die Hartnäckigkeit der SPD-Verhandler ausgezahlt: Ihnen wird nicht – wie von schwarzgelb ursprünglich geplant – die Grundsicherung im Alter mit den Bildungspaket verrechnet, sondern als echte strukturelle Entlastung ab 2012 gewährt. Dass das Bildungspaket ebenso wie dessen Verwaltungskosten und die umstrittenen Warmwasserkosten zu einer deutlichen Erhöhung des Bundesanteils bei der Kosten der Unterkunft der HartzIV-Bezieher führen, wird die Belastung unserer Städte und Landkreise schon heuer begrenzen. Dies ist mir auch als Gemeinde- und Kreisrätin besonders wichtig.
Ungeachtet der praktischen Verbesserungen sollte man aber auch über die Pferdefüße der Einigung nicht verschweigen: So wird der Bund zur Finanzierung der genannten Kosten bei der Bundesagentur für Arbeit 4 Mrd. Euro pro Jahr streichen, obwohl schon jetzt zahlreiche Qualifikations- und Beschäftigungsangebote nicht mehr durchgeführt werden können: Dies wird zahlreiche Arbeitslose auch in unserer Region treffen, die mit großem Engagement an ihrer Rückkehr in den Arbeitsmarkt arbeiten.
Der Kompromiss hat damit eines gezeigt: Wenn es nicht gelingt, die „starken Schultern“ an der Finanzierung eines solidarischen Gemeinwesens besser zu beteiligen, werden wir uns auch bei der nächsten Runde wieder mit derartigen „Verschiebebahnhöfen“ und Kürzungen von Leistungen beschäftigen müssen.